Indonesien ist ein gewaltiges Inselreich. Über 17.000 Inseln formen das Land. Java und Bali liegen dabei ganz nah beisammen und können doch unterschiedlicher nicht sein. Slow Food ist an beiden Orten aktiv, wobei vor allem an der Arche des Geschmacks gearbeitet wird. Wir haben die beiden Convivien besucht und ihnen bei der Arbeit über die Schulter geschaut. | Autor: Jürgen Schmücking
Der ernste Süden Javas.
Der kleine Anhänger sieht aus, als hätte er bereits Jahrzehnte am Buckel. Ein klappriges Gestell, rostige Räder und ein hölzernes Brett, so zerfurcht und schmierig, dass österreichische Lebensmittelkontrolleure auf der Stelle in eine Art Schockstarre verfallen würden. Darauf steht ein schwerer Mörser von etwa einem halben Meter Durchmesser. Hier zerdrückt der Händler – vermutlich ebenfalls seit Jahrzehnten – ein paar einfache Zutaten zu einer köstlichen scharfen süßsauren Paste mit leicht bitterer Note. rujak. Auf der Straße wird rujak in Bananenblättern zu grob geschnittenem Obst gereicht.
In warungs, den Imbissbuden und einfachen Restaurants auch zu diversen Fleischgerichten. Was die Paste so spannend macht, sind ihre Zutaten. Frische Chilis, Knoblauch (für die Schärfe), grüne (unreife) Mango (für den säuerlichen Geschmack), Palmzucker (für die Süße) und schließlich Bananenkerne (für den bitteren Abgang). Damit ist der Reigen der indonesischen Bananenvielfalt auch schon eröffnet. Noch einmal zurück zu den Zutaten. Bananenkerne. Für rujak wird ausschließlich Pisang Kluthuk verwendet, eine olivgrüne, pummelige und extrem festfleischige Bananensorte, die auch noch eine Menge Fruchtkerne im Fleisch hat. Seit Mitte 2016 ist sie Passagier in der Arche des Geschmacks. Der gewohnte Biss in die geschälte Frucht ist eine herbe Enttäuschung im wahren Wortsinn. Gerbstoff, leichter Schärfe und vor allem eine ungewohnten Bitterkeit, so präsentiert sich die stämmige Banane.
Die Vielfalt indonesischer Bananen ist atemberaubend. Es ist das Verdienst von Amaliah Amalia und dem Convivium Slow Food Yogyakarta, diesen Schatz gesichtet, und Ordnung in das üppige Angebot gebracht zu haben. Zwölf Bananensorten wurden in die Arche des Geschmacks der Slow Food Stiftung für Biodiversität aufgenommen. Die Früchte sind sehr unterschiedlich: verschiedene Formen und Farben, unterschiedliche Geschmäcker und Konsistenzen. Eine dieser Sorten heißt raja sewu. Der dekorative Strunk besteht aus vielen kleinen, äußerst dünnen und kräftig grünen Bananen, süß genug, um ein attraktives Dessert abzugeben. Oder Pisang Kepok, die etwas breit um die Hüfte wirkt. Sie ist gelb und ihr Fruchtfleisch ist fast schon pikant.
Warum sich Slow Food überhaupt für die Bananen und deren Vielfalt einsetzt?
Weil es eine Erfolg versprechende Strategie zur Rettung der Banane überhaupt ist. In unseren (westlichen) Obstregalen finden wir in erster Linie eine Sorte. Cavendish. Diese Sorte deckt 95 Prozent des gigantischen Weltmarkts ab. Der globale Bananenmarkt hat ein Volumen von etwa 36 Milliarden Euro. Diese Menge kann nur in industrialisierten Bananenplantagen in Monokultur produziert werden. Der intensive Anbau hat einige Nachteile. Monokulturplantagen sind ideale Brutplätze für Schädlinge wie fusarium oxysporum. Ein Pilz, der weltweit Bananenkulturen befällt und zur Panama-Krankheit (oder TR4) führt. Ähnlich der Reblaus im späten 19. Jahrhundert bedroht TR4 die Bananenstauden dieser Welt existenziell. Das Arche-Projekt und die Bemühungen von Slow Food Yogyakarta haben demnach eine weitreichende Bedeutung, weit über die Förderung kleiner und regionaler Produzenten hinaus.
In Bantul wird gerade noch ein anderer kulinarischer Schatz geborgen: Gayam. In der Sprache Javas heisst es gayuh ayem und bedeutet ‚Frieden finden’. Gayam-Bäume waren beliebte Schattenspender und hatten die wichtige Eigenschaft, Wasser an die Oberfläche zu ziehen. Beide Merkmale führten dazu, dass Gayam-Bäume als Orte zum Ausruhen und Stärken gesucht wurden. Dass die grüne Frucht – am ehesten mit einer Kastanie vergleichbar – auch noch köstlich schmeckt, ist ein willkommener Zusatznutzen. Heute findet man diese Bäume nur noch vereinzelt im Süden Javas. Grund genug für Slow Food Yogyakarta sich der Sache anzunehmen und, ganz nebenbei, auch noch ein attraktives Projekt zum nachhaltigen Tourismus auf die Beine zu stellen. Etwa eine Autostunde südlich von Yogyakarta im Bezirk Bantul – man erreicht den Ort ausschließlich motorisiert – liegt das Dorf Mulyodadi. Genau genommen ist es eine Ansammlung kleiner Häusergruppen, die allerdings stolz über eigene Namen verfügen. Wonodoro, Plumutan oder Keraton. Die Siedlungen haben sich zusammenschlossen, um die Früchte der Gayam-Bäume zu verarbeiten. Keripik Gayam zum Beispiel, getrocknete Chips oder Gethuk Gayam, kleine Süßigkeiten in Form kleiner Bagels. In Zusammenarbeit mit Slow Food Yogyakarta entsteht in Mulyodadi gerade ein vielversprechendes Fremdenverkehrsprojekt. Gästen stehen Kutschen mit Zugtieren zur Verfügung, Mitarbeit in der Küche und bei der Ernte ist erwünscht und jeder Gast hat die Möglichkeit, einen Gayam-Baum zu pflanzen. Die Freude und Gastfreundschaft mit der die Mitarbeiter hier ans Werk gehen ist beeindruckend und berührend.
Bali - die lebenshungrige InselDer Flug von Yogyakarta nach Bali dauert deutlich weniger als eine Stunde, und trotzdem betritt man beim Verlassen des Flugzeugs eine völlig andere Welt. Während der Süden Javas muslimisch geprägt und touristisch kaum erschlossen ist, spürt man auf Bali vom ersten Moment an einen ganz anderen Geist. Vor allem gibt es auf Bali – und das unterscheidet die beiden Inseln kulinarisch signifikant – Schwein. Mehr noch, Bali und Schwein haben eine lange gemeinsame Geschichte. Babi Guling, zum Beispiel, das Milchferkel vom Spieß, ist überall auf der Insel zu finden. Oder lawar, ein legendäres Blutwurstgericht. Seit Mitte der 80er Jahre gibt es allerdings ein Problem: eine Hybridrasse, unserem Landschwein nicht unähnlich, hat das kleine schwarze Fettschwein verdrängt. Babi Bali Asli ist zu einer bedrohten Rasse geworden. Das Babi Bali Asli ist allerdings fundamentaler Bestandteil der Kultur Balis. Man findet es auf Zeichnungen, Gemälden, und die schwarzen Schweineköpfe aus Holz gehören zum Maskenkult der Insel. In einer Kommandoaktion wurde das Babi Bali Asli zum Archeprodukt ernannt und ein gastronomischer Rettungsplan erstellt, der vorsieht, dass das Fleisch der Schweine in den guten Restaurants Balis auf der Karte zu finden ist. Beim Ubud Food Festival 2016 wurden die ersten Projektergebnisse vorgestellt. Im Locavore, einem Slow Food-Vorzeige-Restaurant wurde ein nose-to-tail-Menü serviert, das vieles von dem, was hierzulande angeboten wird, in den Schatten stellt. Zu erkennen ist das Babi Bali übrigens erst einmal an seiner Größe. Gemessen an den Kalibern, die wir von Rassen wie Mangalitza oder Turopolje kennen, ist Babi Bali ein herziges Schweinderl. Sein Rücken hängt durch, genauso wie – bei guter Fütterung – der prächtige Bauch. Gefüttert werden sie übrigens – und das ist einzigartig – mit frischen Mangos. Wer sich das kleine Schwarze und das, was Bali kulinarisch sonst zu bieten hat, genauer anschauen möchte, sei auf das bereits genannte Ubud Food Festival
verwiesen. Drei Tage lang steht der Kultur-Hotspot Ubud voll im Zeichen der Kulinarik. Dabei wird gedämpft, gegrillt, gebrannt und gebraut. Eine lukullisch aufregende wie herausfordernde Woche mitten im Zentrum einer zauberhaft schönen Insel.