Der Schatz von Heewon Lee
Cheongtaejeon – Grün, steile Lage, Südhang.
Verrotteter Fisch und tiefschwarze Hühner, der Geist aus dem Reiskorn und eine unglaublich aktive Slow Food-Community. Gründe, nach Südkorea zu reisen, gibt es ungezählt viele. Und hin und wieder auch eine gute Gelegenheit. Tee zum Beispiel. Grüner Tee.
Autor: Jürgen Schmücking
Es ist keine 10 Jahre her, da war Slow Food in Südkorea noch ein sehr zartes Pflänzchen. 2006 brachte Slow Food sein monumentales Verzeichnis ‚Terra Madre’ auf den Markt. 750 Seiten prall gefüllt mit Produzentengemeinschaften, und Lebensmittel aus der Arche des Geschmacks, Arche und Presidi Projekte aus der ganzen Welt der guten, fairen und sauberen Lebensmittel. Korea steuerte damals zwei halbe Seiten bei. Kimchi klarerweise, Meersalz aus Sorae und ein Schulprojekt in der nördlichen Provinz Kyongsang.
Und heute, 9 Jahre später? 32 Arche-Passagiere, 4 Presidi, über 1.000 Mitglieder und eine vitale, aktive Gemeinschaft von Produzenten und Produzentinnen, die in engem Kontakt stehen und den Geist von Slow Food Korea in die Welt hinaustragen. Hinter dieser Dynamik stehen einerseits gesellschaftliche Entwicklungen, wie das steigende Bewusstsein für Natürlichkeit und unbelastete Nahrung und der Wille der Regierung, ökologische und nachhaltige Landwirtschaft zu fördern. Korea hat etwa die Größe von Portugal und gilt in Asien als kleines Land. Trotz seiner über 50 Millionen Einwohner. Der Bio-Anteil an der landwirtschaftlichen Gesamtfläche beträgt im Moment zwar gerade einmal 1,1 %, Tendenz aber (stark und schnell) steigend, mit ein paar richtig kräftigen Zugpferden. Die Provinz Chungbuk in der Mitte des Landes zum Beispiel. Hier lag der Anteil ökologisch bewirtschafteter Äcker 2013 bereits bei knapp 5 % aber die Bewohner hier haben immer noch nicht genug. Bis 2020 soll der Bio-Anteil auf 20 Prozent erhöht werden. In der Schulverpflegung werden 80 Prozent angestrebt. Ein Wert – sofern er umgesetzt wird – von dem wir in Mitteleuropa nur träumen können. Vor diesem Hintergrund wächst, blüht und gedeiht Slow Food Korea, und was von dieser Community produziert wird, ist – teils auch im wahren Wortsinn – atemberaubend.
Beginnen wir die Tour zu den interessantesten Produzenten fermentierter Lebensmittel im Süden des Landes, in der Gegend um Jangheung, einer kleinen Stadt unweit der Südküste des ostchinesischen Meeres. Im Norden Jangheungs liegen ein paar dicht bewaldete Berge, wie der Jeamsan, der Sambisan oder der Sajasan. Auf einem Hang des Sajasan liegt das Reich und der Schatz von Heewon Lee, einem der 5 letzten Produzenten von cheongtaejeon oder einfach ‚don tea’. Das ist wilder, grüner Tee, in Form kleiner Mühlsteine (oder Münzen) gepresst und getrocknet/fermentiert. Die kleinen Münzen lagern 2 Jahre und kosten richtig viel Geld. Umgerechnet etwa 10 Euro pro Taler.
Heewons Schatz ist eine Lichtung am Berghang etwa von der Größe eines Fußballfeldes, üppig bewachsen mit wildem Tee. Camellia sinensis. Der Bauer spricht kein Wort Englisch, macht aber unmissverständlich klar, was es bedeutet, hier zu ernten. Der Tee wehrt sich. Um ihn zu ernten, muss erst einmal das dornige Gestrüpp entfernt werden, das um den Strauch herum wächst. Prompt verletzt sich Heewon an den Dornen und innerhalb von Minuten sieht sein Unterarm wie von einem Schwarm Mücken malträtiert aus. Die ganz widerspenstigen Wächter werden mit einer schwungvollen Bewegung herausgerissen, was die Gefahr birgt, am steilen Hang die Bodenhaftung zu verlieren und abzustürzen.
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Fotos: Jürgen Schmücking
Die Ernte – es kann übrigens nur von Ende April bis Ende Mai geerntet werden – ist langwierig, mühsam und nicht ungefährlich. Die ersten guten Gründe für den guten Preis. (Die getrockneten Tee-Münzen wiegen ein paar Gramm und kosten umgerechnet etwa 8 bis 10 Euro. Eine Münze reicht für eine große Teekanne). Im nächsten Arbeitsschritt werden die Blätter kurz aufgekocht und anschließend – sobald sie ihre Farbe verändert haben - in einem Mörser zerstampft. Der Geruch in den Räumen, in denen das passiert, brennt sich unauslöschlich im Gedächtnis ein. Es ist ein voller, intensiver, ausdrucksstarker, frisch-vegetabiler Duft, geprägt von enorm fruchtigen Tönen. Die durch das Mörsern entstandene Paste wird in kleinen Formen zu Rädern gepresst, die an Münzen erinnern sollen. Später werden diese Tee-Münzen in Terra Cotta-Amphoren getrocknet. Traditionell passiert das in eigenen Trockenräumen. Der Duft in diesen Räumen unterscheidet sich signifikant von jenem, der beim Stampfen entsteht. Hier kommen sekundäre Aromen durch die Blattfermentation und die Reife hinzu. Wir sprechen von Tabaknoten, dunkler Schokolade und Schwarzbrot. Und der Don-Tea selbst? Absolut erfrischend, rauchig, hochgradig aromatisch und über den Maßen gut.